Wochenarbeitszeit
Quelle:
http://www.verdi-news.de
Arbeitszeitverlängerung
absolut kontraproduktiv
„Der Spiegel“ gibt Unternehmern und Regierung publizistischen
Flankenschutz
"Wenn es dem Aufschwung dient, warum nicht", zitiert "Der Spiegel" den
Regisseur Jürgen Flimm. Unisono mit Bayerns Ministerpräsident Stoiber.
Das Hamburger Nachrichtenmagazin schlägt sich mit einer Titelgeschichte
auf die Seite der Befürworter von Arbeitszeitverlängerung und behauptet
u. a.: "Während in Deutschland von Jahr zu Jahr weniger gearbeitet
wurde, nahm in den Ländern wie Großbritannien, den USA oder den
Niederlanden das Arbeitsvolumen stetig zu. Zugleich stieg die
Beschäftigung, und die Arbeitslosenquoten gingen zurück".
Tatsächliche
Arbeitszeit beträgt 39,9 Stunden
"Der Spiegel" suggeriert: Weil die Gewerkschaften die Politik der
Arbeitszeitverkürzung betrieben haben, gibt es in Deutschland
Massenarbeitslosigkeit, und weil die Gewerkschaften
Arbeitszeitverlängerung verhindern möchten, hemmen sie die Überwindung
der Krise. Der publizistische Flankenschutz für Unternehmer und
Regierung hält sich mit Widersprüchen kaum auf.
Der Widerspruch zum Mainstream kommt vom Bremer Professor Helmut
Spitzley. Er korrigiert: "Die tatsächliche Arbeitszeit der
Vollzeitbeschäftigten liegt bei 39,9 Stunden in der Woche
(EU-Durchschnitt: 40,0 Stunden). Auch bei der Jahresarbeitszeit der
Vollzeitbeschäftigten liegt Deutschland mit 1760 im Mittelfeld. In
Großbritannien 1962 Stunden) wird länger, in den Niederlanden (1716
Stunden), Italien 1695) und Frankreich (1689) aber deutlich kürzer
gearbeitet." Auch hält Spitzley die Arbeitszeit allein als unzulässigen
Standortfaktor. Er verweist darauf, dass die Arbeitsproduktivität in
Deutschland überdurchschnittlich hoch ist und in Großbritannien mit
längerer Arbeitszeit deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegt.
Der Bremer Wissenschaftler hält Arbeitszeitverlängerung
beschäftigungspolitisch für absolut kontraproduktiv und belegt dies
auch: "Wenn in einem durchschnittlichen Unternehmen die Arbeitszeit von
35 auf 40 Wochenstunden angehoben wird, steigt unmittelbar die
Arbeitskapazität um 15 Prozent. Da dem aber kaum eine wachsende
Nachfrage im gleichen Umfang gegenüber steht, entstünden personelle
Überkapazitäten von ebenfalls 15 Prozent. Mit anderen Worten: Jeder
siebente Arbeitsplatz wäre in Gefahr. Ein Beispiel: Bei den Bremer
Stahlwerken Arcelor sind derzeit 4200 Personen beschäftigt. Bei einer
Arbeitszeitverlängerung um fünf Stunden entsteht ein Personalüberhang
von 600 Stellen. Dies bedeutet, dass auf Jahre hinaus keine
Einstellungen mehr erfolgen könnten. Im Gegenteil: Als Folge der
Arbeitszeitverlängerung würden Stellen abgebaut, und sogar
betriebsbedingte Kündigungen wären wahrscheinlich."
"Der Spiegel"
arbeitet mit Suggestivfragen
"Der Spiegel" bemühte für sein Thema eine Umfrage: "Wären Sie bereit,
ohne Lohnausgleich länger zu arbeiten, um Ihren Arbeitsplatz zu
sichern?" 79 Prozent antworteten mit Ja, Gewerkschaftsmitglieder 63
Prozent. Was soll auch dabei anderes herauskommen, wenn in der Frage
fälschlicherweise unterstellt wird, Arbeitsplätze würden tatsächlich
durch Arbeitszeitverlängerung? Hunderttausende Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer haben in der Vergangenheit bereits auf
Einkommensbestandteile verzichtet, um ihren Job zu retten. Vergebens.
(GL) |